Das ist sehr traurig. Mein Bruder war mein großer Bruder, der war älter als ich.
Ich weiß seit dem 9. Juni 2021 dass er gestorben ist. Da stand die Polizei vor unserer Tür und informierte meinen Mann, dass man mich sprechen müsse in einer Angelegenheit, die meinen Bruder beträfe.
Ich war aber im Büro, auf Arbeit. Ich war nicht zu Hause. Meinen Mann hat man nicht weiter informiert, worum es gehe, mein Mann hat berichtet, dass der Kater derweil die Polizistin beschmust hat.
Der Mann informierte mich dann per Telefon, dass die Polizei dagewesen sei und nach mir gefragt habe und dass es um meinen Bruder gegangen sei. Das hat mich sehr beunruhigt, ich habe der Polizei hinterher telefoniert.
Die Gladbacher sagten, sie seien es nicht gewesen, weil die kämen nicht bis zu uns. Die unseren meinten, sie wüssten nix von einem Einsatz – fragten aber nach genauen Daten von meinem Bruder.
Keine 10 Minuten später rief dann ein Kommissar aus Gladbach an, um mein Einverständnis zur Autopsie in der Sterbesache meines Bruders zu erlangen.
Da habe ich dann verstanden, dass mein Bruder gestorben war. Ab diesen Zeitpunkt fühlte ich mich, als sei ich unter einer Glocke. Ich musste weinen. „Sterbesache Ihres Bruders“ – das waren nicht zwingend die Worte, die ich erwartet oder erhofft hatte. Ich konnte nicht aufhören, zu weinen. Ich war froh, dass meine Kollegin auch da war. Sie ist eine sehr, sehr nahe Kollegin, mehr als Kollegin, und konnte ihre mentale Stärke auf mich übertragen. Aber ich war trotzdem untröstlich. Sie schickte mich Heim.
Ich musste mich um eine Beerdigung kümmern. Welches Beerdigungsinstitut? Aus Gladbach kenne ich nichts mehr?! OK, unseres. Die machen das schon. Machen sie auch.
Fragen beantworten. Sachen aussuchen. Dinge entscheiden. Noch mehr Fragen beantworten.
Leute informieren. Wen informiert man in einem Sterbefall, bei dem man den betroffenen zuletzt vor 25 Jahren nüchtern gesprochen hat? Ich kenne doch niemanden, aus seinem Freundes- und/oder Bekanntenkreis.
Cousine angerufen und informiert. Zum Glück hat die einen netten Mann, der sich auch kümmert. Die Tante angerufen. Meine besten Freunde informiert.
Anzeigen müssen her. Wie verabschiedest du jemand, der seit 25 Jahren mehr unter dem Einfluss von Alkohol, THC und Medikamenten gestanden hat, als er nüchtern war? Worte suchen – Worte finden. Gute Worte gefunden, hoffentlich auch die Richtigen.
Im bürgerlichen Blatt für die alten Freunde und Bekannten oder auch die Tante und/oder Vettern und Cousinen aus Gladbach zu erreichen, morgen dann im kostenlosen Käseblatt für seine Bekannten.
Bitte kommt, wer auch immer sich berufen fühlt!
Können wir ihn an seinem Geburtstag beerdigen? Das wird sportlich, sagt die Dame vom Beerdigungsinstitut. Der Geburtstag wäre der 23. Juni gewesen, leider konnte er erst am 21. Juni ins Krematorium. Lt. Autopsie ist er wenigstens nicht erschlagen worden. Immerhin.
Urne aussuchen. Bitte kein Chichi. Bitte nicht. OK, ganz schwarz. Goldner Ring, ansonsten schwarz. Endlich, Termin für die Bestattung.
Blumen aussuchen für den Urnenkranz. Ich hätte gerne was weißes. War er Fußballfan? Ja klar, wer nicht? – Dann machen wir Weiß-Grün, mit schwarzen Urne ist das perfekt. Da haben Se die Borussia auch dabei.
Ich hatte nie den Gedanken. Aber ja, das ist irgendwie nett. Schwarz-Weiß, Grün abgesetzt. Borussia. Klar. Wichtig: jetzt, wo der arme Teufel schon von uns gegangen ist, da will ich dem nicht auch noch Dreck auf den Buckel werden und ich will auch nicht, sonst jemand das macht. Erst kürzlich mussten wir die Tante von meinem Mann beerdigen, da hatten sie ein Körbchen mit Blütenblättern. Das habe ich Bruder auch bestellt. In dem Fall kommt das als Säule. Mir soll da recht sein.
Heute hab ich erst den Blumenladen bezahlt und dann ein Beerdigungskaffee bestellt. Heute hatte ich endlich das Gespräch mit dem Pastor, der meinen Bruder beerdigen wird.
Heute konnte ich festlegen, WIE mein Bruder den Menschen in Erinnerung bleiben wird. Ich legen Fokus auf die Zeit, bevor seine Süchte überhand genommen haben. Die Musik bei seiner Andacht wird Kirchenmusik sein, die er wirklich gemocht hat. Ich weiß das, weil wir zusammen im Kinderchor waren, im Jugendchor und im Kirchenchor.
Der Pastor wird würdigen, dass er meiner Tochter und mir das Leben gerettet hat.
Mich tröstet das.
Ich möchte, dass die Leute sich an meinen Bruder erinnern an den Mann, der seiner Schwester in schwerster Stunde beigestanden und darüber geholfen hat.
Gerne erinnere ich mich an Ihre Kommentare im “altenmannblog“. Deshalb spieke ich dann und wann auch mal hier in Ihr Tagebuch.
Zum Tod Ihres Bruders meine herzliche Anteilnahme.
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dem schließe ich mich an.
Liebe Grüße
palina
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